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Arbeiten von unterwegs

Anne Lachmund über ihre digitale Kanzlei und Remote Work

Inhaltsverzeichnis

Anne, du bist Arbeitsrechtlerin und führst eine digitale Kanzlei. Was genau unterscheidet deine Kanzlei von der „Kanzlei um die Ecke“?

Mit der klassischen Kanzlei um die Ecke habe ich nicht sonderlich viel gemeinsam. Neben der rein digitalen Arbeitsweise ist sicherlich der hinter LACHMUNDlaw stehende starke Servicegedanke ein wesentlicher Unterschied: Ich habe mein ganzes Beratungsangebot darauf ausgerichtet, es ratsuchenden Menschen möglichst einfach zu machen, meine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (bspw. durch Nutzung eines Online-Terminbuchungstools und einer Online-Vollmacht). Zudem ist es mir sehr wichtig, dass sich meine Mandant:innen bei mir wohlfühlen und ich Zeit für ihre persönliche Betreuung habe.

Warum hast du dich als Juristin dazu entschieden, beruflich einen anderen Weg einzuschlagen? Wie konntest du deine Idee von der digitalen Kanzlei so schnell umsetzen?

Das war keine bewusste Entscheidung, sondern ehrlich gesagt ein sehr langer Prozess. Ich habe mich quasi im Ausschlussverfahren durch Großkanzlei und Konzern-Headquarter gearbeitet, bis ich mit Anfang 40 endlich wusste, dass mich die Selbständigkeit am glücklichsten machen würde. Dass ich mit meiner Idee einer digitalen Kanzlei so schnell durchgestartet bin, liegt bestimmt in meiner Persönlichkeit begründet. Es ist mir immer schon leichtgefallen, mich schnell in neue, komplexe Sachhalte reinzufuchsen, außerdem gestalte ich leidenschaftlich gerne Dinge.

Für wen ist eine digitale Arbeitsrecht-Kanzlei interessant? Wer kommt zu dir, wenn er ein rechtliches Anliegen hat?

Meine digitale Kanzlei ist eigentlich für alle Menschen da, die ein arbeitsrechtliches Problem haben – im Prinzip genauso wie die Kanzlei um die Ecke. Schwerpunktmäßig berate ich Menschen in Fach- und Führungspositionen, die gerade eine Kündigung oder Aufhebungsvertrag bekommen haben. Außerdem unterstütze ich Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung (insb. Startups) in ihrem operativen Geschäft. Natürlich finden eher Menschen den Weg zu mir, die ein digitales Beratungsangebot zu schätzen wissen, als solche, die noch vorwiegend analog unterwegs sind.

Du beantwortest als Expertin auch arbeitsrechtliche Fragen rund um Remote Work. Welche drei Fragen kommen dabei am häufigsten auf dich zu?

Meine Top 3 sind definitiv diese Fragen:

  1. Wie regele ich Remote Work in meinem Unternehmen, damit Beschäftigte möglichst flexibel arbeiten können?
  2. Welche Remote Work-Regelungen brauche ich, damit ich rechtliche Risiken aus Unternehmenssicht begrenzen kann?
  3. Wie kann ich Beschäftigte rechtssicher im Ausland recruiten und dort beschäftigen?

Im Moment ist es für deutsche Angestellte nicht ohne weiteres möglich, digital zu arbeiten und gleichzeitig um die Welt zu reisen. Was müsste passieren, damit sich das ändert?

In (begrenztem) Rahmen ist digitales Arbeiten aus dem Ausland auch heute schon möglich. Insbesondere dann, wenn sich die Beschäftigten nicht länger als sechs Monate pro Jahr im Ausland aufhalten. Problematisch im Zusammenhang mit Remote Work ist nach meiner Erfahrung vor allem, dass viele Beschäftigte und Unternehmen die Risiken nicht kennen bzw. unterschätzen. Damit Risiken auf beiden Seiten so gut wie möglich begrenzt werden können, empfehle ich Unternehmen, die Remote Work anbieten, die wichtigsten Rahmenbedingungen in einer Remote Work-Policy festzulegen und diese gegenüber allen Beschäftigten klar zu kommunizieren. Dann gibt es in der Regel auch kein böses Erwachen.

Was denkst du, wie sich die Arbeitswelt im Hinblick auf digitale Nomaden entwickeln wird? Was wird hier aus rechtlicher Sicht diskutiert?

Die Gesetzgebung hinkt der Praxis bekanntlich immer Jahre hinterher, bevor sich etwas ändert bzw. ernsthaft darüber diskutiert wird. Daher glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass sich in Bezug auf Remote Work in nächster Zeit viel ändern wird. Zudem ist es aus rechtlicher Hinsicht eine ziemlich große Herausforderung, einheitliche und praktikable Regelungen für grenzüberschreitende Sachverhalte zu finden.

Immer öfter entscheiden sich Unternehmen für die Beschäftigung von Menschen, die im Ausland leben. Welche rechtlichen Herausforderungen gibt es dabei und wie können diese gelöst werden?

Das bringt uns direkt zur dritten Frage meiner Top 3: Viele Unternehmen, insbesondere aus der Tech-Branche, sind heutzutage auf ein internationales Recruiting angewiesen. Ein Unternehmen kann Beschäftigte jedoch immer nur dort anstellen, wo es eine inländische Gesellschaft hat. Eine Gesellschaftsgründung im Ausland lohnt sich meistens nicht. Viele Unternehmen greifen daher zu zweifelhaften Steuermodellen. Am sichersten, aber auch nicht gerade günstig, ist derzeit wohl nur ein sog. „Employer of Record“. Das ist eine Art Agentur, welche Beschäftigte gegen eine Gebühr im jeweiligen Land anstellt und dann quasi an das Unternehmen ausleiht.

Du bist zweifache Mama und arbeitest im Homeoffice. Wie wirkt sich deine Selbstständigkeit auf dein Familienleben aus?

It’s complicated! Ich arbeite grundsätzlich sehr gerne von zuhause, das war schon immer so. Schon während der Examensvorbereitung habe ich statt in der Bibliothek lieber auf meinem Balkon gelernt. Mit Kindern, gerade während der Corona-Pandemie, ist das natürlich ein enormer Spagat. Ich bin eigentlich ein extrem gut organisierter und disziplinierter Mensch, aber eins meiner wichtigsten Learnings aus knapp einem Jahr Selbständigkeit ist definitiv, dass ich ein noch besseres Selbstmanagement benötige. Ich höre derzeit viele inspirierende Podcasts zu diesem Thema und mache täglich Fortschritte.

Auch auf dem Rechtsmarkt ist ein Wandel deutlich spürbar. Über welche Veränderungen freust du dich am meisten? Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich freue mich sehr darüber, dass die Anwaltschaft endlich anfängt, sich aus ihrer Komfortzone zu bewegen; z.B. finden sich immer mehr Jurist:innen auf Social Media. Ich habe dort schon sehr viele interessante und offene Menschen getroffen, mit denen ich mich gerne (teilweise regelmäßig) austausche. Gerade als Soloselbständige bzw. im Homeoffice Arbeitende ist der Austausch mit anderen Menschen aus den verschiedensten Bereichen enorm wichtig und Basis meiner Inspirationen.

Welchen Tipp gibst du Jurastudierenden oder praktizierenden Jurist:innen, die selbst über eine digitale Kanzlei nachdenken?

Nicht so viel nachdenken und einfach machen; der Bedarf ist definitiv da! Allerdings sollten insbesondere Berufsanfänger:innen den Aufwand und Druck der Selbständigkeit nicht unterschätzen. Ich habe auch deshalb nie an meiner Idee einer digitalen Kanzlei gezweifelt, weil ich durch viele Jahre Großkanzlei und meine spätere Inhouse-Zeit eine gewisse Souveränität aufgebaut habe, die es mir sicherlich einfacher gemacht hat, diesen Schritt ins vermeintlich Ungewisse zu gehen.

Vielen Dank für das Interview, Anne!

Anne Lachmund

ist Rechtsanwältin (LL.M.) und Gründerin von LACHMUNDlaw – digitale Kanzlei für Arbeitsrecht aus Berlin/Kreuzberg. Sie berät schwerpunktmäßig Fach- und Führungskräfte sowie Start-Ups bei allen arbeitsrechtlichen Themen.

Vor ihrer Selbständigkeit arbeitete sie als Anwältin in der Praxisgruppe Arbeitsrecht/Pensions einer renommierten Wirtschaftskanzlei und war später im Headquarter eines internationalen Großkonzerns für den Bereich Pensionen verantwortlich. Dort hat sie ihre Liebe für Prozesse und Digitalisierungsthemen entdeckt.

In ihrer Freizeit macht Anne Lachmund viel Sport (Joggen/HIIT/Yoga) und entdeckt gerne neue Orte.

Su Reiter

arbeitet ortsunabhängig als Content Marketing-Expertin für juristische Unternehmen und führt in ihrer Freizeit Interviews mit digitalen Nomaden. Sie hat die erste Austauschgruppe für digitale Nomaden im deutschsprachigen Raum auf LinkedIn ins Leben gerufen.

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